Es ist schon erstaunlich, welch hohen Stellenwert in Sankt Petersburg traditionell die Musik einnimmt. Sicherlich haben es hier – man denke dabei nur an Tschaikowski, Schostakowitsch, Baryschnikow oder Nurejew – bereits eine ganze Reihe exzellenter Musiker und Künstler zu Weltniveau gebracht.
Und dennoch stellt sich grundsätzliche die Frage, ob eine Stadt, deren Geschichte regelmäßig von Berühmtheiten aus Kunst und Musik gekreuzt wird, per se einen Anspruch darauf hat, „Kulturhochburg“ genannt zu werden? Dies ist in den meisten Fällen sicherlich legitim, trifft die Situation in Sankt Petersburg jedoch nur teilweise.
Hier speist sich musikalische Tradition nicht in erster Linie über Glanz und Glorie der Vergangenheit, sondern wird von den Menschen bis in die Gegenwart aktiv gestaltet; sei es durch eigenhändiges Musizieren vor Publikum oder zu Hause, durch Singen oder den regelmäßigen Bühnenbesuch.
Nicht umsonst deutet sich in vielen Schilderungen über das kulturelle Leben der Stadt an, dass Tickets für Ballett und Oper stets ein wenig im voraus zu ordern sind – bestenfalls vor Reiseantritt. Denn: Ausverkaufte Vorstellungen sind in Petersburgs Häusern laut den Besucherzahlen der vergangenen Jahre beileibe keine Seltenheit.
Ganz oben auf der Liste thront das weltbekannte Mariinsky-Theater, dessen Pforten sich bereits 1860 öffneten. Die Heimat des Kirov-Balletts hat es in der Vergangenheit immer wieder geschafft, Darsteller und Publikum gleichermaßen in ihren Bann zu ziehen. Ein Gebäude von atemberaubender Schönheit und Ausstrahlung.
Gelangt man in den edel ausstaffierten Innenraum des Hauses, wird rasch klar, dass ein unvergesslicher Abend bevorsteht. Die steil ansteigenden Logen im klassischen Halbrund garantieren von jedem Platz aus besten Blick auf die Szenerie. Es ist die grandiose Kulisse für bis zu 2000 Opernfreunde. Bis 2008 wurde das Gebäude mit hohem Aufwand renoviert.
Aber die Stadt hat noch weitaus mehr zu bieten. Dank des weltweit geschätzten Konservatoriums werden die Bühnen und Orchestergräben Sankt Petersburgs quasi im Akkord mit hoch qualifiziertem Nachwuchs bestückt. So zu hören auch im Großen Saal der Philharmonie, welcher bereits 1839 fertig gestellt wurde. Auch hier reichen sich internationale Star-Ensembles die Klinke in die Hand – für viele der beliebteste Konzertsaal der Stadt.
Weitere hervorragende Adressen sind das Mussorgski-Theater, der Kleine Saal der Philharmonie und natürlich die Smolny-Kathedrale, in deren prachtvollem Innenraum zumeist kirchliche Konzerte stattfinden. Wer ein Ticket kauft, wird es nicht bereuen; egal wofür man sich entscheidet. Ein Blick auf die Spielpläne der genannten Häuser verrät, dass klassische Musik in Sankt Petersburg stilistisch dominiert. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass man in der Stadt bereits seit der Sowjetzeit auch moderneren Musikformen gegenüber sehr aufgeschlossen ist.
Im Gegensatz zum rigoros zensierten Moskauer Kulturleben war die Situation hier bedeutend liberaler. Dadurch konnte sich unter dem Begriff Piterski-Rock (im Deutschen: Petersburger Rock) schon in den 80er Jahren eine Szene etablieren, in der weitaus härtere Klänge angeschlagen wurden.
Wie dem auch sei: Das Leben in Sankt Petersburg kommt ohne Musik einfach nicht aus – im Guten wie im Schlechten. So ist der inzwischen deutlich ausgedünnten Kriegsgeneration stets jener 8. August 1942 im Gedächtnis geblieben, als aus den noch existierenden Petersburger Radios die wohl einzig positive Musik-Episode einer langen Schreckenszeit erklang.
Der russische Komponist Dimitri Schostakowitsch hatte es sich trotz Belagerung und Bombardements durch deutsche Truppen nicht nehmen lassen, seine berühmte 7. Sinfonie in Sankt Petersburg zu vollenden. Kurze Zeit später erfüllte man ihm den Wunsch, das Werk in der von Hunger und Chaos ausgezehrten Stadt spielen und via Radio in das gesamte Land übertragen zu lassen – noch heute ein Symbol für den erfolgreichen Widerstand Petersburgs gegen das Nazi-Regime.
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Weiterführende Links:
» Mariinsky-Theater (Offizielle Website des Hauses, aktuelle Spielpläne…)