Abseits aller architektonischen Pracht und Größe können rund um Sankt Petersburg auch Naturfreunde voll und ganz auf ihre Kosten kommen. So verfügt die Metropole in ihrem Hinterland über eine ausgedehnte und in weiten Teilen menschenleere Naturlandschaft, die rund 40 Kilometer östlich am riesigen Ladogasee mündet.
Es fällt nicht leicht, sich ein genaues Bild von Europas größtem Süßwasserreservoir zu machen, da an seinem Ufer je nach Standort auch am Horizont nichts als Wasser auszumachen ist. Zum Vergleich: Mit knapp 18.000 km² ist der See nur unwesentlich kleiner als das deutsche Bundesland Hessen.
Im Sommer gilt der Ladogasee für die Petersburger als eine Art überdimensionales Naherholungsgebiet. Zu Tausenden reisen sie an den Wochenendtagen per Zug oder Auto an, um ein willkommenes Bad in Sonne und See zu genießen. Die Strände jedenfalls sind groß genug für alle. Kein Vergleich zum Gedrängel, das zeitgleich an manchen Mittelmeerstränden herrscht.
Das Wasser des Sees speist die durch Sankt Petersburg fließende Newa auf ihrem Weg in den Finnischen Meerbusen. Doch anders als der durch Abwässer reichlich verunreinigte Fluss gilt der “Ladoga” als äußerst sauber und klar.
Aber aufgepasst: Wer zum entspannten Baden angenehm warme Wassertemperaturen jenseits der 20 Grad erwartet, sollte sich eher langsam vortasten. Denn von wenigen Hochsommertagen abgesehen, ist der zur Winterzeit großflächig zugefrorene See mitunter kühl, sehr kühl sogar. Man halte sich vor Augen, in welch hohen Breitengraden sich das riesige Gewässer befindet.
Dass die thermischen Gegebenheiten dieser Region auch einen überaus tragischen Hintergrund haben, ist heute angesichts entspannter Badeatmosphäre und bester Laune nicht mehr wahrnehmbar. Doch das bei Kilometer 47 des Uferweges gelegene Museum „Straße des Lebens“ zeugt auf beklemmende Art und Weise davon, dass „Dolce Vita“ rund um den See nicht immer selbstverständlich war.
Zeitsprung: Im 2. Weltkrieg wurde Sankt Petersburg von deutschen Truppen fast drei Jahre lang eingekesselt und grausam ausgehungert. Sämtliche Versorgungswege in die Metropole waren gekappt, so dass lebensnotwendige Lieferungen lediglich auf dem Ladogasee möglich waren – Lebensader einer ganzen Stadt.
Im Sommer ging es per Schiff quer über den See, und im Winter machte eine dicke Eisschicht den gefährlichen Transit per LKW möglich. So gelang es den Beteiligten, die allgemeine Not zumindest in Ansätzen zu lindern.
Auch solche Geschichten gibt es also rund um den Ladogasee, dessen Oberfläche an manch windstillen Tagen so glatt ist, dass sich die träge vorbeiziehenden Wolken darauf fast naturgetreu widerspiegeln. Heute – mehr als 60 Jahre später – ist er zum Glück eine der schönsten Abwechslungen, die das Petersburger Umland zu bieten hat. Ein wenig geschichtliche Besinnung kann jedoch auch hier nicht schaden.
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